Geschichte des Stahlbetons bis 1925

Die historische Entwicklung der Stahlbetonbauweise im Deutschen Reich begann mit der Anmeldung des Patentes von Joseph Monier 1880. Die Monierlizenz erwarb 1884 die Firma Freytag & Heidschuh. Durch die Verbindung mit dem Ingenieur G. A. Wayss und Conrad Freytag wurden entscheidende Schritte zur breiten Anwendung des Stahlbetons unternommen. Beim Zusammentreffen von C. Freytag und M. Koenen auf der Baustelle des Reichtagsgebäudes in Berlin kam ein weiterer wichtiger Pionier des Stahlbetons hinzu. M. Koenen veröffentlichte bereits 1886 im "Centralblatt für Bauverwaltung" die ersten theoretischen Bemes­sungs­grundlagen. Anfänglich wurde die Stahlbetonbauweise auch als Monierbau bezeichnet. Erst ab 1900 sprach man allgemein vom Eisenbeton und ab 1941 wurde der Begriff Stahlbeton eingeführt. Eine erste Werbebroschüre über die Monierbauweise erschien 1887 und ab 1888 wurde das Moniersystem auf ver­schiedenen Baustellen in Deutschland angewendet.

Historische Aufnahme des Cristallpalastes

Historische Aufnahme des Cristallpalastes

So zum Beispiel in Leipzig bei der Erweiterung des "Crystallpalastes" in Leipzig 1886/87 durch den Ar­chi­tek­ten Arwed Roßbach. Im sogenannten Zirkusbereich wurden Stützen, Wänden und das Dach in Mo­nier­bau­weise errichtet. M. Koenen meldet 1897 sein Patent für eine Voutenplatte aus Stahlbeton an. Neben der Monierbauweise wurden noch andere Stahlbetonarten verwendet, wie zum Beispiel die Hennbique-Bau­weise. Erste Fachbücher wurden von Mörsch und Salinger 1902 für die Anwender des Stahlbetons ver­öf­fent­licht.

Ansicht Zirkushalle und Diorama-Bau Cristallpalast

Ansicht Zirkushalle und Diorama-Bau Cristallpalast

Patente

In der Anfangsphase des Stahlbetonbaues waren die einzelnen Bauweisen patentrechtlich geschützt. Die Bedingungen für den Erwerb einer Lizenz waren recht unterschiedlich. Zum Teil mussten an den Patent­in­haber erhebliche Nutzungsgebühren entrichten. Für einzelne Patente von Deckenbauweisen in Stahlbeton galten unterschiedliche Laufzeiten. Meist waren es 15 Jahre. Das Patent für die Hennebique-Bauweise galt nur bis 1901. Danach konnte jeder Bauunternehmer ohne Lizenzgebühren diese Bauweise uneingeschränkt anwenden.

Historische Patentschrift

Historische Patentschrift Nr. 109964

Gesetze

Erste allgemeine Vorschläge für die Berechnung und Ausführung von Stahlbetonbauwerken wurden 1904 veröffentlicht. Die sogenannten "Vorläufigen Leitsätze für die Vorbereitung, Ausführung und Prüfung von Eisenbetonbauten" wurden vom Verband deutscher Architekten- und Ingenieurverband und dem Deutschen Beton-Verein herausgegeben. Diese Leitsätze bildeten die Grundlagen für die späteren Bestimmungen des Stahlbetons. 1907 gab das Kgl. Preußische Ministerium für öffentliche Arbeiten die ersten gesetzlichen Be­stim­mungen für die "Ausführung von Konstruktionen aus Eisenbeton bei Hochbauten" heraus. Die anderen Reichsstaaten übernahmen diese Vorschriften oder gaben zum Teil eigene Regelwerke heraus. Bis 1907 er­ließen einzelne Städte gesonderte Vorschriften. So zum Beispiel gab es in Dresden oder Leipzig in diesem Zeitraum kommunale Vorschriften für Eisenbetonbauten. Erst die 1916 veröffentlichten "Bestimmungen" wur­den in allen Reichstaaten unverändert eingeführt. Die ersten DIN-Normen wurden ab 1917 mit der Gründung des Normenausschusses der deutschen Industrie (NADI) für Baustoffe herausgegeben. Die DIN 1045 bis DIN 1048 wurde 1925 allgemein eingeführt.

Historische Stahlbetonkonstruktion 02

Stützen in einer ehemaligen Brauerei

Historische Stahlbetonkonstruktion 04

sichtbare Bewehrung eines Plattenbalkens

Anwendung der Stahlbetondecken

Eine breite Anwendung von Stahlbetondecken gab es ab ca. 1900 hauptsächlich im Industrie-, Geschäfts- und Ingenieurbauwerken. Diese Bauwerke erforderten im zunehmenden Maße höhere Lasten aufzunehmen. Die Anforderungen hinsichtlich des Brandschutzes seitens der Baubehörden waren ebenfalls gestiegen. Bei­de Rahmenbedingungen konnten die Stahlbetondecken erfüllen.

Historische Stahlbetonkonstruktion 04

Stahlbetonkonstruktion im Dachbereich

Im Wohnungsbau wurden diese Deckenarten nur zögerlich eingesetzt. Ein entscheidender Faktor bei der An­wendung des Stahlbetons waren die Baukosten. In einem Kostenvergleich zwischen einer Holz­bal­ken­decke, einer massiven ebenen Ziegeldecke und einer Stahlbetondecke aus dem Jahre 1910 war die Stahl­be­ton­bauweise am teuersten. Sie war bezogen auf reinen Baustoffkosten ca. 16 % teurer als die tra­di­ti­onelle Holzbalkendecke. Es gab sicherlich erhebliche regionale Unterschiede für die Kosten der einzelnen Baustoffe. Auch in späteren direkten Kostenvergleichen schnitt die Stahlbetondecke am schlechtesten ab. Somit ist es auch erklärlich, warum die Holzbalkendecke im Geschosswohnungsbau noch bis zum Zweiten Weltkrieg weiter im großen Umfang eingebaut wurde.

Stahlbeton historische Details

Stahlbeton historische Details

Für weitergehende Informationen steht Ihnen Herr Reinboth gern zur Verfügung.

Ausgewählte Fachbücher

  • Bargmann, H., Historische Bautabellen, Werner-Verlag, Düsseldorf, 1993
  • Börner, F., Statische Tabellen, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, 1910, 1923
  • Christophe, P., Der Eisenbeton und seine Anwendung im Bauwesen, Verlag Tonindustrie-Zeitung, Berlin, 1905
  • Emperger, F., (Hrsg.), Handbuch für den Eisenbetonbau, Bd. 9, 1. Teil, Neuere Hohlkörperdecken, bearb. von K. Böhm-Gera, Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 1913
  • Fingerloos, F., Historische technische Regelwerke für den Beton-, Stahlbeton- und Spannbeton, Ernst & Sohn, Berlin, 2009
  • Fölzer, E., Eisenkonstruktionen, M. Hittenkofer, Strelitz/Mecklenburg, o. J.
  • Kaufmann, G., Tabellen für Eisenbetonkonstruktionen, Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, 1908
  • Kersten, C., Der Eisenbetonbau Teil 2, Anwendungen im Hoch- und Tiefbau, Verlag von Ernst & Sohn, Berlin,1907, 1913
  • Stahlwerks-Verband A.-G.( Hrsg.), Taschenbuch mit Zeichnungen und Angaben über die Verwendung von Eisen im Hochbau, Düsseldorf, 1910, 1913, 1921
  • Wayss & Freytag, Bauten in Stampfbeton, Monierbeton und Moniermauerung, W. Büxenstein, Berlin, 1895

Beiträge in Fachzeitschriften

  • Armierter Beton, Beton und Eisen, Zentralblatt der Bauverwaltung ab Jg. 1886
  • Reinboth, L., Konstruktionen aus Beton und Eisen, veröffentlicht in: B+B Bauen im Bestand, Nr. 5, 2012, Seite 70-71

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